Ob eine Scheinselbständigkeit von Auftragnehmern vorliegt, ist immer wieder Gegenstand von Gerichtsverfahren. Da die Scheinselbständigkeit oft erst durch den Zoll im Rahmen einer Kontrolle oder die Deutsche Rentenversicherung im Rahmen einer Prüfung festgestellt wird, entstehen schnell Nachforderungen im fünf- oder sechsstelligen Bereich. Oftmals aus Unwissenheit der betroffenen Unternehmen, immer wieder aber auch aufgrund vorliegender Scheinverträge mit den Auftragnehmern.
Dabei gibt es klare Kriterien, die für oder gegen eine Scheinselbständigkeit sprechen. So liegt oftmals eine Scheinselbständigkeit bei Erfüllung der nachfolgenden Kriterien vor:
– Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers:
- Weisungsgebundenheit: Personen unterliegen bezüglich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung dem Weisungsrechts des Arbeitgebers.
Beispiel: Taxifahrer mietet bei einer Taxizentrale Fahrzeug gegen kilometerabhängiges Entgelt, wird aber ansonsten wie ein angestellter Taxifahrer behandelt (Terminzuweisung, Zuweisung von Fahrten etc.).
Beispiel: Freie Mitarbeiterin mit eigenem Fahrzeug. Das Tätigkeitsgebiet, benötigte Materialien, Erteilung von Anweisungen, Kontrolle der Arbeit, Tragen von Arbeitskleidung des Arbeitgebers. - Ausschließliche Zurverfügungstellung der eigenen Arbeitskraft. Fahrzeuge, Maschinen und/oder Betriebsmitteln werden vom Arbeitgeber gestellt.
Beispiel: Baggerfahrer ohne Bagger, Transportfahrer ohne Transportfahrzeug usw.
– Kein unternehmerisches Risiko des Auftragnehmers
- Kein Einsatz von eigenem Kapital
- Keine eigenen Fahrzeuge, Maschinen, Werkzeuge, Betriebsmittel usw.
– Mehr als 5/6 des eigenen Umsatzes werden mit einem einzigen Kunden erzielt
Beispiel: Hessisches LSG, Urteil v. 7.3.2023, L 8 BA 51/20, Scheinselbständige Bauarbeiter
Drei Männer gründeten eine GbR, die für eine Baufirma Trockenbauarbeiten verrichteten. Insbesondere sollten die drei Männer Säulen mit Brandschutztüren verkleiden. Hierbei wurde zwischen der Baufirma und der GbR ein Festbetrag pro Säule von 10 € bzw. 11 € vereinbart. Bei einer veranschlagten Arbeitszeit pro Säule von 12 Minuten hätte der Stundenlohn 45 € betragen.
Der Zoll ermittelte und die Deutsche Rentenversicherung stellte im Rahmen einer Betriebsprüfung fest, dass es sich in allen drei Fällen um abhängig Beschäftigte gehandelt hat. Dem widersprach die Baufirma. Das Landessozialgericht sah dies jedoch anders und gab der Deutschen Rentenversicherung Recht.
Entgegen der Argumentation der Baufirma lagen nach Ansicht des Gerichts folgende tatsächlichen Verhältnisse vor: die drei Bauarbeiter wurden mit dem Bus der Baufirma zu den jeweiligen Baustellen gefahren, Material und Werkzeug wurden ihnen von der Baufirma gestellt, entsprechend hatten sie der Baufirma lediglich ihre persönliche Arbeitskraft zur Verfügung gestellt und seien somit in den Betrieb der Baufirma eingegliedert gewesen. Entsprechend lag auch kein Unternehmerrisiko vor.
Neben der Nachzahlung von rund 80.000 € Sozialversicherungsbeiträgen wurde die Baufirma zudem zur Zahlung von rund 20.000 € Säumniszuschlägen verurteilt.
Möchten Sie mehr zum Thema erfahren sind wir mit unseren Experten*innen im Rahmen der Lohnbuchhaltung gerne für Sie da (keine Rechtsberatung).